Page 7 - Mundart_Schreibung
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2 Psychische Bedingungen der Laut-Buchstaben-Zuordnung

Die akustische Wahrnehmung der Lautsprache bzw. gesprochenen Sprache und deren grapho-
motorische Umsetzung bzw. Kodierung ist insbesondere von ihrer Gliederung, Strukturierung,
Betonung, Akzentuierung, Deutlichkeit, Klarheit und insgesamt Bewusstheit abhängig, auch unter der
Voraussetzung, dass das Hörsystem sowie das der nervösen Klangverarbeitung nicht beeinträchtigt
ist (i oder e, o oder a, si oder se, lebm oder löbm ...? - manchmal entsteht sogar der Eindruck es
könnte sich um dyslalische Formen handeln). Dabei ist es interessant, dass bezüglich der
Mundartschreibung ähnliche bis gleiche Gegebenheiten festzustellen sind wie hinsichtlich der
Didaktik des Lesens und Schreibens.12 Im Schriftbild sind Wörter z. B. durch Leerräume getrennt, was
beim flüssigen Sprechen und Lesen größtenteils unterbleibt. Im Dialekt gibt es im Vergleich zur
Hochsprache zahlreiche Lautkombinationen und auch Auslassungen. Die sprachliche Unterscheidung
lautsprachlicher Gebilde und Gestalten ist dabei auch im Zusammenhang mit der Konkretheit einer
Aussage zu sehen.
Mundartschreibung erfordert auditive Sensitivität bzw. Sensibilität und deren Umsetzung in ein
Schriftbild. Wie in der Elementardidaktik geht es sowohl um die Analyse von Lauten, um das
Heraushören und Identifizieren von Einzellauten und Klanggestalten aus einem Klangbild
(Lautdiskriminierung) als auch um die Synthese von Lauten, um die Zusammensetzung von
Wortschöpfungen aus Einzellauten bzw. in schriftlicher Form aus Buchstaben. Das Abrufen von
gespeicherten Klang- und Schriftbildern in Abhängigkeit vom Einprägungsgrad kann hilfreich sein,
wird sich aber vorerst stark an standardsprachlichen Mustern orientieren. Die diesbezügliche
Fähigkeit bzw. Kompetenz der Ausgliederung einzelner Laute (Phoneme) bzw. Zeichen (Grapheme)
kann dabei auch in Abhängigkeit von den allgemeinen kognitiv-intellektuellen Fähigkeiten und der
Gewöhnung bzw. Übung einer Person gesehen werden.
Schreiben und Lesen beruhen vorwiegend auf der Fähigkeit, Laute sowie Buchstaben bzw.
Schriftzeichen zu unterscheiden und wieder zu erkennen. Diesbezüglich sind vor allem die akusto-
motorischen Fähigkeiten und Erfahrungen bedeutsam. Die Analyse von Lauten beim Entschlüsseln
(Dekodieren) und Verschlüsseln (Kodieren) der Wörter der subjektiven Sprechsprache (= Mundart)
erfolgt gewissermaßen nach Sprechbildern, d. h., es bedarf einer Laut – Buchstaben – Entsprechung
der Klang- bzw. Schrift-/Wortbilder. Bei dieser Laut-Analyse ist das Niveau der akustischen
Strukturierungsfähigkeit entscheidend und zeigt sich sowohl von der Schnelligkeit der
Gedächtnisleistung des Verknüpfens als auch vom Grad der Automatisierung und des Herstellens von
Sinnbezügen abhängig. M. a. W., die subjektiv wahrgenommene und erinnerte Klang- und Lautgestalt
eines (nicht nur) Mundartwortes bedingt seine Schreibung.
Die akustische Differenzierung hat einen gedanklich-sprechmotorischen Akt zur Voraussetzung, ihr
folgt eine semantisch-verstehende Leistung. Spontan abrufbare Klang- bzw. Schriftstrukturbilder auf
der Basis visueller Prozesse ermöglichen schließlich die grapho-motorische Umsetzung in eine
schriftliche Schreibspur.

12 vgl. Brenn Hubert: Hochdeutsch als erste „Fremd“-Sprache. Erschwernisse und Hilfen im Schriftspracherwerb für
Kinder mit von Hochsprach-Lautung stark abweichendem Dialekt. In: Haase Peter (Hg.): Schreiben und Lesen sicher
lehren und lernen. Voraussetzungen, Risikofaktoren, Hilfen bei Schwierigkeiten. Dortmund/borgmann publishing GmbH
2000, 299 f [291-308]

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