Page 13 - Aufsatz
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verbunden sind und durch diese weite Verbreitung und Verwendung, welche die
allgemeine Verständlichkeit erhöhen, schon recht stark umgangssprachlich
ausgerichtet sind (Beispiele zur Veranschaulichung (vom Oberland ins
Unterland):

zuerst    [zersch – zerscht – zerchrt – zers – ze(a)rst];
Hoangart  [Hoangar(t) – Huengert – Hoangarchrt – Huengarsch – Hoanga(r)sch];
gehen     [gien – gie – gea –gean - go];
Baum      [Boum – Be(i)m – Bam – Bamen(e) – Bàm – Baim – Bom].

In Tirol verlaufen Mundartgrenzen im Westen zum Alemannischen und etwa
östlich von Schwaz (ohne Zillertal) zum mittelbairischen Übergangsgebiet. Die
wesentlichen Mundartgrenzen verlaufen in nord-südlicher Richtung. Eine solche
ist entlang der Linie Schwaz-Mühlbacher Klause gegeben (östlich davon
werden typisch bairische Dialektwörter wie z. B. Kees für Gletscher, Antlaß für
Fronleichnam verwendet; westlich davon gilt z. B. Pfoat für Hemd bis Imst,
Ergetog (Erchtag) für Dienstag und Pfinztog für Donnerstag bis Landeck;
neuere sprachliche Entwicklungen wie oi für mittelhochdeutsch ui (Fliege: Floige
– Fluiga), Wegfall von r und l vor Konsonanten in bestimmten Wörtern (z. B.
Erde: Eard/Eart/Erde – Eare – Ean, knien: knieln/knialn – knian); Abfall von r bei
der Endung –er (z. B. Wetr – Weto für Wetter) und bei Pronomen auf –r (gib mir:
gib mr – gib ma) konnten diese Grenze nicht überschreiten).

Allfällige Mundartgrenzen entlang des Alpenhauptkamms, also von Westen
nach Osten, sind eher selten und weniger wirksam. Die von Ettore Tolomei und
Carlo Battisti vorgelegten Benennungen und Versuche, Südtirol 1918 als altes
italienisches Siedlungsgebiet auszuweisen, sind durch die Dialektgeographie
eindeutig zu widerlegen. Nord- und Südtirol sowie Osttirol bilden eine
sprachliche Einheit bzw. einen gemeinsamen Dialektraum. An den Pässen, z. B.
am Reschen- und Brennerpass, sind wohl vereinzelt einige wenige Laut- und
Wortbesonderheiten (z. B. tsem – dort) zu konstatieren.

Grundsätzlich bestehen wesentliche Unterschiede vor allem im sog.
prosodischen Bereich (Intensität des Stimmdrucks). Beispielsweise haben der
Ahrntaler Dialekt mehr Gemeinsamkeiten mit dem Zillertaler Dialekt bzw. der
Passeirer Dialekt mehr mit dem Ötztaler Dialekt als mit dem Eisacktaler oder
Obervinschgauer Dialekt. Tirol und seine Talschaften und Dörfer stellen
vielfache Visitenkarten aus, und eine der nachhaltigsten Visitenkarten sind die
Tiroler Mundarten als urtümliche heimatliche Denkmäler. Jeder Dialekt ist etwas
Spezielles.

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