Page 18 - Aufsatz
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Bildung des Plurals der sächlichen Hauptwörter auf –r und –er (z. B.: Jarler –
Jahre), weiters das Bekräftigungswort hou (im Ötztal hö/houe).
Vin(t)schgauer Dialekt: Eine weitere, weniger ausgeprägte Dialektgrenze trennt
den Vin(t)schgau, in mancherlei Hinsicht auch das Ulten- und Passeiertal als
westlichen Teil. Typisch für den Westen ist die Verwendung von sui für „sie“
(Plural) und „ihnen“, dia als Demonstativpronomen für „die“ oder „diese“, weiters
a Readl (eine Weile). Ein weiteres Kennzeichen ist -ou für –o (z. B. Jahr: Jour)
sowie der Verzicht auf das aulautende –e (z. B.: Schule: Schual), ebenso der
Ausfall des unbetonten e vor –r (der: dr, Wasser: Wossr). Auf den Westen
beschränkt ist auch onni (hinüber) anstelle um(m)i oder umme im Osten und
Süden. Außer diesen und anderen Besonderheiten im Wortschatz fällt im
Westen eine deutlichere Verschiebung von „k“ zu „kch“ auf. Eine
grammatikalische Eigenart des Vin(t)schg(au)er Dialekts ist die ungewöhnliche
Verwendung des Dativpronomens (z. B.: du hosch miar drheart - du hast mich
erhört; ähnlich der Mundart von Umhausen im Ötztal).

Im Südtiroler Unterlandler Dialekt fällt vorerst die Dehnung der Vokale auf (z. B.
bei kejmen - kommen ist die Vokallänge gleich wie bei nejmen - nehmen).
Ansonsten bestehen zahlreiche Ähnlichkeiten mit dem Vintschgauer Dialekt: z.
B. findet für gehen sowohl gean als auch gian Verwendung; weiters der Abfall
des Endungs –e (Schual) bzw. Ausfall des e- für unbetontes –er (z. B. selber –
selbr). Für langes e tritt häufig ei auf (Löffel: Lefl, Leifl) bzw. steht ein Langvokal,
wo andere Dialekte einen Kurzvokal haben. Ein typisches Kennzeichen ist die
Präposition pa für Richtungsangaben (pa dr Maschin – zur Maschine, pan Beck
– zum Bäcker), weiters die auffällige Wortstellung im Satz mit dem Infinitiv
anstelle des Hilfszeitwortes am Satzende (z. B.: di Kindr zi learnan losn – um
die Kinder lernen zu lassen).

3.2 Dialekt, Mundart – oder was?
       Zur Begrifflichkeit

Es gibt verschiedene Erscheinungsweisen des Deutschen als Sprachvarietäten:
einmal als geschriebene (Schriftsprache) und gesprochene (Hochsprache)
Standardsprache; dann als hauptsächlich gesprochene Dialekte (Mundarten);
und im Übergangsbereich dazwischen noch die Form einer sog.
Umgangssprache.

Deutsch als Sprache zeigt sich also in recht unterschiedlichen
Sprachwirklichkeiten mit fließenden Übergängen. Bei uns in Tirol ist in den
meisten Fällen zumindest gegenwärtig immer noch eine Mundart die eigentliche

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