Page 10 - Aufsatz
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Sprachforscher Univ. Prof. Dr. Josef Schatz verfasste 1905 „Die tirolische
Mundart“ und veröffentlichte 1955 das zweibändige Standardwerk „Wörterbuch
der Tiroler Mundarten“.xxvi

1.7. Die Tiroler Dialekte

Herkunft und Aufbau unseres mundartlichen Wortschatzes entsprechen
denjenigen des schriftsprachlichen und bestehen in Tirol hauptsächlich aus
germanischen und rätoromanischen Erbwörtern. Dazu kommen bezüglich
Aussprache und Betonung den Stammwörtern voll angeglichene Lehnwörter
aus anderen Sprachschichten. Später übernommene Fremdwörter aus anderen
Sprachen (wie derzeit aus dem Englischen) wurden und werden zusehends
integriert.

So kannten die einwandernden Germanen, vor allem die Bajuwaren, nur
wenige eigene Ausdrücke für die Bereiche Feld, Vieh, Weide und
Waldwirtschaft und übernahmen daher das diesbezügliche Sprachgut der
ansässigen Bevölkerung (z. B.: Schotten für Topfen, romanisch escotto; was
den Schluss zulässt, dass die germanischen Einwanderer die feinere Art der
Käsezubereitung erst von den rätoromanischen Einheimischen übernahmen;
andere Beispiele sind: Pfrosla [Hagebutte] - romanisch: fransula; Brente
[Holzschüssel für Milch] - romanisch: prente; Agne(n) [Baumnadel(n)] -
romanisch: ago). Diese „Aufsaugekraft“ einer Sprache ist ein wichtiges Indiz für
ihre Lebendigkeit, was gleichzeitig die Frage aufwirft, wie lebendig eine
Mundart sein darf, um noch als solche zu gelten.

Da Mundarten ältere Sprachschichten repräsentieren, haben sie einige
Bedeutungsverschiebungen des Wortguts nicht mitvollzogen. Bezüglich der
Grammatik weisen die Mundarten ebenfalls Besonderheiten auf, die sich
regional, u. U. sogar lokal stark unterscheiden können (z. B.: Bildung von
Vergangenheit, Zukunft, Konjunktiv, Kasus, Plural, Gender usw.).

Das dialektgeografische Bild Tirols zeigt vielfältige und unterschiedliche Sprach-
und Lautformen. Die deutschen Dialekte in Tirol gehören, wie beschrieben, zu
den oberdeutschen Dialektgruppen Bairisch und Alemannisch. Dies bedeutet,
dass für sie
1. die vollkommene Durchführung der althochdeutschen Lautverschiebungxxvii

    und
2. die teilweise Durchführung der neuhochdeutschen Diphthongierungxxviii gilt.
Einen großen Teil nimmt das Südbairische ein, das in Tirol den westlichen und
mittleren Teil Nordtirols sowie Süd- und Osttirol umfasst.

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