Page 16 - Dialekt
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umzusehen, da sind neben einheimischen Frauen und Müttern aus dem Dorf und aus den
Weilern solche aus den angrenzenden Nachbargemeinden, aus Nachbartälern und anderen
Tiroler Gegenden und Landstrichen, aus anderen österreichischen Bundesländern, gar nicht
mehr so selten aus anderen Staaten Europas und auch aus anderen Erdteilen.

Und da kann dann ab und zu ein gehöriges sprachliches Mischmasch entstehen, ein
Konglomerat, das auch die Kontakte mit den Gleichaltrigen und Dorfleuten nicht unbedingt
auszugleichen vermögen, und schon gar nicht ist dies etwa über kindergarten- und
schulpädagogische sogenannte Bestrebungen und Sprachförderprogramme möglich. Wobei
ich leider anmerken muss, dass bis auf ganz wenige Ausnahmen die Schulen bislang in
dieser Hinsicht eher kontraproduktiv und wenig förderlich gearbeitet haben.

Zudem wäre es ein Missverständnis, diese Entwicklung etwa negativ zu sehen und zu
bewerten. Im Gegenteil. Denn Kinder erlernen sehr bald und schnell das sogenannte
Switching, also das Umschalten von einer Sprachvariante in eine andere.

Sie erkennen durchaus wie zwei- oder gar mehrsprachig aufwachsende Kinder, welcher
Sprachmodus bei welcher Person und in welchen Kommunikationssituationen zutreffend
anzuwenden ist. Es wäre aber unzweifelhaft eine sprachliche wie geistige und kulturelle
Verarmung, würde man Kindern den Dialekt vorenthalten, was zwar selten, aber fallweise
dennoch geschieht.

So berichtete mir in diesem Zusammenhang eine Kollegin: „Zur Zeit mache ich leider
manchmal die Erfahrung, dass Mundart doch noch etwas "abwertend" beurteilt wird. Immer
wieder werde ich gefragt, warum mein Sohn als Kind einer Germanistin einen starken Dialekt
spreche. Er lernt und kann beides, was ich sehr bereichernd finde.“

Ein Kind kann durchaus mit zwei und auch mehreren Sprachen und Sprachmustern
aufwachsen, solange die jeweiligen Kontaktpersonen sich vorwiegend auf eine Sprachform
konzentrieren und diese beibehalten (z. B. eine Mama-Sprache, eine Papa-Sprache, eine
Oma-Sprache, eine Opa-Sprache usw.). Es ist günstig, mit einem Kind in derjenigen Sprache
oder in demjenigen Dialekt zu sprechen, die bzw. den man am besten beherrscht. In dieser
Sprachvariante kann einem Kind auch der größte Sprachschatz vermittelt werden. Damit wird
eine gute Basis für alle anderen Sprachen gelegt, die ein Kind in seinem Leben noch lernen
wird.xxxi

4.2 Muttersprache - Die Sprache(n) der Jungen
Da seit langem viele junge Menschen auswärts Schulen besuchen oder studieren, dürfen
auch derartige Einflussgrößen nicht vernachlässigt und unterschätzt werden. Man kann
heutzutage ohne Übertreibung sagen, dass allfällige feststellbare lokale Unterschiede sich
gegenüber den generationsmäßigen deutlich verringert haben und letztere die Mehrzahl
bilden.

Sprachforscher konstatieren gegenwärtig jedenfalls einen sogenannten „altersspezifischen
Sprachwandel“, was bedeutet, dass gegenüber lokalen Variationen vielmehr altersbedingte
Sprachmuster der Sprecherinnen und Sprecher ins Gewicht fallen.xxxii Dabei ist auch eine
beinahe paradoxe Gegebenheit feststellbar: Einerseits tendieren junge Leute dazu, sich im
SMS-Verkehr durchwegs der Mundart zu bedienen, weil sie da schreiben können, wie es
ihnen beliebt, andererseits besteht aber ein Hang zu sogenannten Deutschlandismen,
welche die Austriazismen und damit natürlich auch die alteingesessenen Dialektausdrücke
verdrängen.

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