Page 29 - Aufsatz
P. 29

Ist Mundartdichtung zeitgemäß? Wie lebendig ist sie? Die Beantwortung dieser
und ähnlicher Fragen ergibt sich nach einem Blick auf die nicht wenigen
mundartlichen Texte und literarischen Schöpfungen bzw. auf die überraschend
zahlreichen Namen von zeitgenössischen Mundartschaffenden, die in der Folge
leider nicht alle vorgestellt werden können. Die Reichhaltigkeit und Vielfalt der
lokal-regionalen Tiroler Mundarten zeigt sich aber unzweifelhaft auch in ihrer
Buntheit und zahlenmäßig erstaunlichen Häufigkeit. Somit stellt Mundartliteratur
eine besondere und besonders vielfältige Seite der Tiroler Literaturlandschaft
dar.

4. Zusammenfassendes Schlusswort - Ausblickliv

Mundartdichterinnen und Mundartdichter „haben Freude an der
heimatbezogenen Sprache und finden Gefallen an der Stärke und Aussagekraft,
dem Wohlklang und der Vielfalt unserer Mundarten, die oft mehr Spielraum des
Ausdrucks verleihen als die Hochsprache“ meinte 1999 der vormalige Obmann
des Tiroler Mundartkreises, Hofrat Mag. Karl Oebelsberger.

Mundarten sind Lokal- bzw. Regionalsprachen und stehen in engem
Zusammenhang mit der lokalen bzw. regionalen Identität ihrer Sprecher und
Nutzer. Sie sind ein durchaus charakteristischer, wesentlicher und somit
schützenswerter Bestandteil der Heimat. Sprache ist ein Produkt des
Zusammenlebens von Menschen. Sie ist daher auch das Ergebnis ihrer
gemeinsamen geistigen Aktivitäten. Mythen, Sitten, Bräuche, Normen, andere
Kulturgüter und Kulturschöpfungen gehen daraus hervor. Daher ist ihnen
innerhalb des Kommunikationsrahmens wie in literarischer Hinsicht der ihnen
zukommende Stellenwert zuzugestehen.

Das dialektgeografische Bild Tirols zeigt vielfältige und unterschiedliche Sprach-
und Lautformen. Sprachgeschichte, Besiedlungsgeschichte und
Kulturgeschichte stehen in enger Verwobenheit. Die Tiroler Mundarten der
einzelnen Talschaften und Regionen gehören hauptsächlich zu den bairisch-
österreichischen Mundarten. Alemannisch sind die Mundarten im Außerfern,
alemannisch beeinflusst die Mundarten unter dem Arlberg bzw. östlich der
Arlberg-Lech-Linie. Die alten stammesmäßigen Sprachvariationen der
bairischen Volks- bzw. Regionalsprache, die vor allem vom Volk gesprochen
wurden, erfuhren mehrfach lautliche Veränderungen und zeigen
dementsprechende Unterschiede zu der als Schreib- bzw. Schriftsprache
vorwiegend aus ober- und mitteldeutschen Stammessprachen künstlich
gebildeten Sprachform, die als hochdeutsche Schrift- bzw. Standardsprache
bezeichnet wird. Mundarten stellen wie die Gemeinsprache spezifische

                                                      - 29 -
   24   25   26   27   28   29   30   31   32   33   34